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200 Tonnen Senf im Jahr! Fleisch & Co zu Besuch bei dem Wiener Senf-Erzeuger „Ramsa-Wolf“

Schon 2009 hat der Wiener Senf-Erzeuger „Ramsa-Wolf“ die Produktion auf rein heimische Senfsaat umgerüstet. Warum das heute hilft , um als Familienunternehmen zu bestehen, war neben dem berühmten „Englischen Spezial Senf“ Gegenstand unseres Gesprächs mit Geschäftsführerin Katrin Segel.

Die Berufswahl stand wohl schon als Teenager fest: Einer alten Familientradition folgend, produzierte Katrin Segel ihren ersten Senf im Alter von 15 Jahren. Die Wienerin ist die fünfte Generation aus der von Johann Wolf begründeten Senfmüller-Dynastie.

Das Familienunternehmen in Penzing

Wolf startete 1926 noch im dritten Bezirk die Produktion, Raimund Ramsa drei Jahre später im fünften Bezirk. Seit der Fusion der beiden Familienunternehmen 1969 führt der Hersteller des landesweit bekannten „Englischen Spezial Senf“ den Namen Ramsa-Wolf. Das Rezept für diesen scharfen Bestseller an allen Würstelständen brachte Ramsa aus der Gefangenschaft in Polen mit, so die Legende. Mit Handwerkstradition punktet der Familienbetrieb, in dem zwei Generationen und fünf Mitarbeiter klassische Sorten (Kremser, Englischer) sowie die Gourmetsenf-Linien produzieren, noch heute: „Die Rezepturen für unsere klassischen Sorten haben sich seit Beginn der Produktion 1926 nicht verändert“, erzählt Karin Segel im Interview. Ebenfalls Themen waren die Rohstoffpreise, Österreichs scharfer Liebling und neue Kreationen wie Trüffel- oder Kaffee-Senf.

Fleisch & Co: Frau Segel, wie hält man im konzerndominierten Umfeld als „kleiner“ Wiener Produzent mit?

Katrin Segel: „Wir versuchen kontinuierlich zu wachsen und unseren Platz als Handwerksbetrieb in Österreich zu halten. Unterstützt durch unsere langjährigen Mitarbeiter fühlt sich der Betrieb wie eine ,Ramsa-Familie‘ an, bei der sich jeder kennt, aufeinander Rücksicht nimmt und in der Zusammenhalt sehr wichtig ist. Somit ist Stabilität für uns ein wichtiger und gelebter Wert. Dazu werden seit 2009 zunehmend mehr Produkte auf Kundenwunsch hergestellt wie z. B. Apfel-, Birnen-, Marillen-, Bier-, Mohn- und Whiskysenf. Diese sind vor allem als Firmen-Präsente, Mitbringsel aus Erlebniswelten und Gastgeschenke begehrt.

Von traditionell bis ausgefallen – im Produktsortiment von Ramsa-Wolf gibt es Senf für jeden Geschmack.
© Beigestellt

Fleisch & Co: Den „Englischen“ von Ramsa kennt wohl jeder Österreicher – welche anderen Produkte wurden für Wurstwaren optimiert?

Katrin Segel: „2019 ergänzten wir zur Freude der Feinschmecker das scharfe Senfsortiment um die fein-scharfe Sorte ,Ramsa Wiener Spezial Senf‘. Er ist besonders geeignet für Senf-Liebhaber:innen, denen ,Estragon‘ zu mild, der ,Englische Spezial Senf‘ aber doch zu scharf ist. Ob zu Schinken, Würsteln, Roastbeef oder zum Semmerl, unterstreicht er gekonnt die Köstlichkeit feiner Fleisch- und Wurstwaren.“

Fleisch & Co: Wurden dafür reihenweise Frankfurter in der Versuchsküche mit neuem Senf kombiniert?

Katrin Segel: „Viele unserer Geschmacksrichtungen werden unter reger Kundenbeteiligung entwickelt. Bei der Einführung des ,Wiener Spezial Senfs‘ haben wir mittels Fokusgruppen und Verkostungen die Präferenzen der österreichischen Senfliebhaber erhoben, um eine allseits beliebte Neuheit auf den Markt zu bringen.“

Fleisch & Co: Der „Trüffelsenf“ ergänzt Ihre Spezialabfüllungen. Wie bekommt er sein Aroma und bleibt doch leistbar?

Katrin Segel: „Am Beginn der Produktentwicklung war ein guter Bekannter meiner Mutter ausschlaggebend. Er ist Chefkoch in einem Haubenlokal und war für ein Hühnergericht auf der Suche nach einem dazu passenden Trüffelsenf. Meine Mutter Liselotte Puta hat dann für ihn eine passende Rezeptur entwickelt. Diese kam bei den Gästen sehr gut an und wurde in unser Stammsortiment übernommen. Bei den Trüffeln handelt es sich um Tartufo nero macinato (= gehackter Trüffel) den wir über einen österreichischen Händler direkt aus Italien beziehen. Diese herzhafte Senfspezialität verleiht kurz gebratenem hellem und dunklem Fleisch eine besondere Geschmacksnote, Trüffelliebhaber verwandeln so auch ein Club-Sandwich zur kulinarischen Delikatesse!“

Fleisch & Co: Und dann gibt es ja noch eine ziemlich unkonventionelle Variante, den Cranberry-Senf. Wie kommt man auf so eine Rezeptur?

Katrin Segel: „Der kreative Kopf hinter unseren Gourmet-Senfsorten ist meine Mutter. Sie hat über Jahrzehnte den Betrieb geleitet und sich seit 2014 ganz dem kreativen Teil unseres Betriebes gewidmet. Ihre Leidenschaft – das Kochen – hilft natürlich beim Erstellen neuen Kreationen. Ganz den Anforderungen entsprechend, werden verschiedenste Rohstoffe verwendet. Nicht immer ist das Umsetzen der Wünsche einfach, aber eigentlich ist dann die endgültige Rezeptur immer ausgezeichnet im Geschmack. Der leicht süßliche Cranberry-Senf ist etwa für Wildgerichte und Pasteten abgeschmeckt.“

Fleisch & Co: Merken Sie – auch nach der Corona- Pandemie – verstärkte Nachfrage nach heimischem Senf?

Katrin Segel: „Durch den Krieg in der Ukraine und die in Zusammenhang stehenden Ernteausfälle, die Importbeschränkungen für Waren aus Belarus und Russland (diese drei Länder gehören zu den größten Senfkornproduzenten weltweit) nimmt die Nachfrage nach regionalem Senfkorn stark zu. Die geringere Verfügbarkeit der Rohstoffe und immense Kosten für Dünger oder Diesel treiben den Senfkornpreis aktuell massiv in die Höhe.“

Fleisch & Co: Wie sieht es in der Gastronomie aus – im Grunde gehört ja in jede Rindsroulade Senf, vom Würstelstand reden wir (erst einmal) gar nicht?

Katrin Segel: „Ob Erdäpfelsalat, Rindsrouladen oder Beuschel … viele Wiener Spezialitäten werden traditionell mit Senf verfeinert. Auch aus der Wiener Würstelstand-Kultur sind Produkte unseres Hauses nicht wegzudenken. Im Zuge unserer Marktforschungen haben wir festgestellt, dass Senf generell nicht nur in der Grillsaison und bei sämtlichen Wurstspezialitäten immer stärker an Bedeutung gewinnt. Bei der Jause zwischendurch findet er gleichsam als kleiner „leistbarer Luxus“ immer mehr Anhänger: Eine 100-Gramm-Tube ist stets zur Hand –, ob beim Wandern oder beim Picknick, im Büro bei der „Beamtenforelle“, am Bau bei der Leberkäs-Semmel oder zum Kochen und Verfeinern von unzähligen Speisen.“

Fleisch & Co: In Dijon hängt man an kanadischen Senfimporten, die heuer mager ausfielen. Ramsa-Wolf setzt bei den Rohstoffen seit Langem auf heimische Lieferanten. Macht sich das jetzt bezahlt?

Katrin Segel: „Die Pandemie und auch der Ukraine-Krieg hinterlassen für die gesamte Wirtschaft sehr starke Spuren. Rohstoffe, Verpackungsmaterialien, Energie, Logistik … all diese Komponenten sind aktuell schwierig zu beschaffen und preislich nicht vergleichbar mit den Jahren davor. Das Senfkorn selbst wächst weltweit in warmen Gebieten. In Europa kommt es meist aus Ungarn, Tschechien, der Ukraine, Weißrussland und Rumänien. Auch in England und Frankreich wird Senfkornangebaut, um den Eigenbedarf zu decken. Außerhalb Europas kommt das Korn meist aus Kanada und Indien. Seit 2009 beziehen wir die Senfkörner (Sinapsis alba, Gelbsenfkorn) ausschließlich aus Österreich.

Ramsa Wolf verarbeitet pro Jahr ca. 40 bis 45 Tonnen Senfkorn, ca. 30.000 Liter Essig, fünf Tonnen Zucker und drei Tonnen Salz.
© Beigestellt

Daraus ergibt sich eine Masse von zirka 200 Tonnen fertigem Senf. Schon lange vor den Krisen war es unsere Firmenphilosophie, regionale Produkte für den heimischen Markt zu produzieren. Kurze Transportwege, faire Bedingungen für unsere Landwirte und andere Lieferanten kosten zwar Geld, stellen aber sicher, dass Arbeitsplätze im Land gehalten werden können und Produzenten eine faire Entlohnung für ihre Produkte erhalten. Lediglich Gewürze, die bei uns nicht kultiviert werden können, müssen importiert werden. Neben Senfkorn stammt auch Essig, Salz, Zucker und vieles mehr von renommierten, langjährigen Unternehmenspartnern aus Österreich. Ja, die Entscheidungen für regionale Zutaten und langjährige Partnerschaften machen sich jetzt bezahlt. Die Verfügbarkeiten sind dadurch kein Problem. Doch die Kosten sind für unsere Lieferanten und uns genauso gestiegen.“

Fleisch & Co: Zur ewigen Frage „siaß oder schoarf?“: Welchen Senf liebt der Österreicher jetzt wirklich?

Katrin Segel: „Estragon-Senf ist die beliebteste Senfsorte der Österreicher. Er wird vorwiegend aus gelbem Senkorn hergestellt. Unser ‚Estragon‘ enthält einen hausgemachten Kräuteressig aus frischem Estragon, der Geschmack ist würzig, aber nicht zu scharf. Als Allrounder unter allen Senfsorten passt er zu allen Arten von Fleisch, ob gebraten, gegrillt oder geselcht. Beef Tatar erhält ebenfalls eine ganz speziell-pikante Note. Unser Estragon Senf eignet sich auch besonders gut zur Verfeinerung von vielen Saucen oder Mayonnaise. Salatmarinaden bekommen mit unserem Estragon einen besonderen, feinwürzigen Geschmack. Der ,Kremser Senf‘ zählt in Österreich zu den klassischen Senfsorten, bei denen sowohl helles als auch dunkles Senfkorn verarbeitet wird. Den besonderen, einzigartigen Geschmack unseres Kremser Senfs macht das spezielle Herstellungsverfahren und die Zugabe von Zucker aus. Dadurch entstehen seine einmalige cremige Konsistenz und der süß-milde Geschmack. Besonders gern wird ,Kremser Senf‘ zu Käsekrainern, Bratwürsteln, Leberkäse oder Blunze gegessen.“

Das Team von Ramsa Wolf Ramsa-Wolf setzt bei den Rohstoffen seit Langem auf heimische Lieferanten.
© Beigestellt

Fleisch & Co: Verraten Sie uns zum Abschluss noch Ihre ungewöhnlichste Senf-Speisen-Kombination?

Katrin Segel: „Wir durften vor einiger Zeit für eine große Kaffee-Firma ein Give-away gestalten. Im Fokus stand, Kaffee mit Senf zu kombinieren. Heraus kamen zwei köstliche Kaffee-Senfsorten, die den Kunden äußert positiv überrascht haben. Eine Kreation war mit Heidelbeere und Kaffee –, die durch den Einsatz orientalischer Gewürze bestochen hat. Die zweite Kreation stellte Orange und Kaffee dar. Das war besonders köstlich zu Wild.“

Autor: Roland Graf

 

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